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Wolfgang Hingst

Tempowahn

6. November 2007. Der deutsche Journalist und Politiker Winfried Wolf hat kürzlich in der Zentralbücherei der Stadt Wien sein neues Buch „Verkehr – Umwelt – Klima. Die Globalisierung des Tempowahns“ im Rahmen einer Podiumsdiskussion vorgestellt. Die Veranstaltung war gut besucht. Am Podium saßen neben dem Autor Winfried Wolf die Universitätsprofessoren Hermann Knoflacher, international bekannter Verkehrsexperte, und Gerd Sammer, Vorstand des Instituts für Verkehrswesen an der Universität für Bodenkultur, sowie der Gewerkschafter und Attac-Aktivist Claus Faber. Ich selbst habe als Publizist und Buchautor, seit Jahrzehnten mit den verheerenden Auswirkungen des Massenverkehrs beschäftigt, die Veranstaltung moderiert.

Als Einmoderation schickte ich voraus, dass Wolfs Buch eine Fülle von Fakten enthält, die in der Tat dokumentieren, wie die Menschheit zunehmend und globalisiert dem Tempowahn verfällt. Wahn, so sagte ich, bedeutet gemeinhin „krankhafte Einbildung“, genauer „eine anhaltende, irrationale psychische Störung bzw. Erkrankung“. Wolf habe eindrucksvoll die kapitalistischen Wurzeln dieses kollektiven Irrsinns aufgezeigt, der nach dem Prinzip „Zeit ist Geld“ die Menschen dem Moloch Tempo und Verkehr opfert.

Bei den einleitenden Statements ist am Schluss Gerd Sammer an der Reihe. Er geht nicht auf die Daten und Fakten Wolfs ein, sondern bezeichnet den Autor als „Abraham a Sancta Clara“, der ein sektiererischer Bußprediger aus dem 17. Jahrhundert war und 1709 in Wien starb. Diese Art von Untergriffen ist nicht neu. Seit Jahrzehnten werden Menschen, die sich für sanfte, nachhaltige und ökologische Lösungen einsetzen, von Technokraten als „Spinner“, „Radikale“ und „Utopisten“ hingestellt – mag rundum alles zugrunde gehen.

Dass alles zugrunde geht, steht wohl fest. Nach Wolf hat das Automobil seit seiner Erfindung 35 Millionen Tote gekostet. (Zum Vergleich: Im Zweiten Weltkrieg kamen 50 Millionen Menschen ums Leben.) Vor den Folgen der Klimaerwärmung sind schon jetzt Millionen Menschen auf der Flucht. Zuletzt, in Kalifornien, musste eine Million vor der Feuerwalze der Waldbrände fliehen. Millionen verlieren durch zunehmende Überflutungen Hab und Gut, viele auch das Leben. Die sogenannten „externen Kosten“ (Umwelt-, Gesundheits- und Sachschäden) durch die „Öl-Auto-Flugzeug-Kapitalgruppe“ beziffert Wolf mit 650 Milliarden Euro jährlich – allein in Westeuropa! Man kann leicht hochrechnen, welche Kosten da weltweit anfallen. Wolf- Zitat, Seite 15: „Die vorherrschende Verkehrspolitik ist Krieg gegen die Menschen sowie Krieg gegen Natur und Klima.“

Selbst angesichts dieser erdrückenden Tatsachen verstieg sich Gerd Sammer zu der Behauptung, die heutige Verkehrssituation sei eine Folge der Evolution. Dem wurde am Podium und im Publikum vehement widersprochen. Hermann Knoflacher erklärte, der Mensch verwandle  sich in eine andere Spezies, wenn er Auto fahre. Der automobile Mensch unterscheide sich damit sogar von den Insekten: „Autofahrer zerstören sich selbst, Insekten tun das nicht.“ Ich füge hinzu: Und Autofahrer zerstören ohne Not und systematisch auch andere Menschen und die Umwelt dazu. Auch das tun Insekten nicht. „Wir sind nahe am Abgrund“, sagt Knoflacher. Die Evolution arbeitet nur mit erprobten Entwürfen und in sehr langsamem Tempo. Ein Leben im Tempowahn sei nicht lebensfähig.

Einig war sich die Runde, dass es eine Reihe von Alternativen gebe, die nur viel effizienter genutzt werden müssten. Dafür sei eine kräftige Lobbyarbeit notwendig. Claus Faber berichtete aus seinen Erfahrungen in Brüssel, dass dort 800 Lobbyisten für eine Verkehrspolitik tätig seien, bei der Mensch und Umwelt nicht im Mittelpunkt stehen, sondern reine Wirtschaftsinteressen. Sie seien vor allem Vertreter der Transportindustrie. Ihnen stünden nur eine Handvoll Lobbyisten für eine menschengerechte Verkehrspolitik gegenüber.