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Peter Fleissner

Peak Oil,
höhere Arbeitslosigkeit,
sinkender Wohlstand

Peak Oil, ein Schlagwort, das uns lange begleiten wird. Es ist nicht mehr die Frage, ob, sondern nur noch die Frage, wann uns das billige Öl ausgeht, und ab wann Versorgungsengpässe auftreten werden.

Eine neue Krise zeichnet sich ab. Diesmal keine Krise im Bereich der Wirtschaft, sondern im grundsätzlicheren Verhältnis von Wirtschaft zur Natur. Nach Marx (der im „Kapital” den Ökonomen William Petty zustimmend zitiert) ist die Natur die zweite Quelle des stofflichen Reichtums, neben der Arbeit, die Naturstoffe in Humanstoffe transformiert. Theoretisch ist zwar richtig, dass alle unsere Konsumgüter und Industriewaren, vom Fußboden bis zum LCD-Farbfernseher, von Drehbänken bis zum Hochofen, aus kombinierten Naturstoffen bestehen, die durch Arbeit umgeformt wurden. Was lernen wir aber darüber hinaus aus unserer persönlichen Erfahrung und aus Zeitungsberichten? Die Produktion erzeugt nicht nur Humanstoffe, sondern führt (nicht nur in den kapitalistischen Ländern) der Umwelt auch hochgiftige Abfälle, Abgase, Abwärme und radioaktive Strahlung zu. Dies sind die „Kollateralschäden” der Produktion. Sie werden oft genug aus Gewinnstreben in Kauf genommen, gefährden unsere Gesundheit oder machen ein gesundes Leben sogar unmöglich.

Aber Probleme ergeben sich nicht nur aus dem, was die Produktion an die Umwelt abgibt, sondern auch die Inputs, das, was die Produktion an Naturstoffen und Energie benötigt, wird zunehmend rar. Die nicht-erneuerbaren Rohstoffe werden knapp. Man könnte nun meinen, die Knappheit wäre die Ursache für höhere Rohstoffpreise. Aber das ist nicht die einzige Ursache: Wenn Sie sich die Preisentwicklung für Rohöl genauer ansehen (Abb. 1), können Sie 2001 und 2008 so genannte Blasen feststellen, eine längerfristige Aufwärtsbewegung des Preises, die durch einen plötzlichen Preissturz beendet wird. Der Preis ist also nicht nur ein Ausdruck von Knappheit, sondern er wird auch von spekulativen Prozessen überlagert. Hier liegt eine der Schnittstellen zur Finanzkrise.

Entwicklung des Ölpreises

Abbildung 1: Entwicklung des Ölpreises in Dollar pro Fass (jährliche Durchschnittswerte)
Quelle: www.tecson.de/poelhist.htm

Schon seit Längerem machten WissenschaftlerInnen aufmerksam, dass dem Wirtschaftswachstum (gemessen am Brutto-Sozialprodukt) längerfristig ernste Grenzen gesetzt sind. Der Club of Rome, eine internationale Vereinigung von ForscherInnen, Industriekapitänen und Politikern, wies zu Beginn der siebziger Jahre darauf hin, dass die Welt verschiedenen Krisen entgegengeht, wenn nichts dagegen unternommen wird: einer Rohstoffkrise, einer ökologischen Krise, einer Nahrungsmittelkrise und schließlich einer Krise der Lebensqualität (die Finanzkrise wurde damals nicht thematisiert). Alle Krisen würden letztlich zu einer Abnahme der Bevölkerung führen. Dennis Meadows, ein heute in Wien lebender amerikanischer Systemforscher vom Massachusetts Institute of Technology und sein Team griffen diese Ideen auf und schrieben 1972 den Bestseller „Die Grenzen des Wachstums”. Er erzielte angeblich höhere Auflagen als die Bibel. Dieses Buch war einer der Anstöße für die Umweltbewegung der Nachkriegszeit.

Was bedeutet Peak Oil?

Damals war das neue Jahrtausend noch in weiter Ferne. Seither hat sich die Situation deutlich zugespitzt. Zusammenbruchs-Szenarien sind nicht mehr auszuschließen. Nicht nur linke Ökonomen wie Elmar Altvater warnen vor drohendem Ressourcenmangel. Auch das „Zentrum für Transformation”, eine wissenschaftliche Stabsstelle der Deutschen Bundeswehr, hat unter dem Titel „Peak Oil – Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen” eine Aufsehen erregende Studie verfasst, die zum Unterschied von den meisten politischen Parteien das heiße Eisen aufgreift und Überlegungen anstellt, wie die zukünftige Entwicklung bewältigt werden könnte. Was bedeutet dieses neue Schlagwort? Damit ist die größte Menge (der „Gipfel” = engl. peak) von Erdöl gemeint, die weltweit in einem bestimmten Jahr gefördert werden kann. Da die Erdölvorkommen auf unserem Planeten beschränkt sind und immer weniger neue Ölfelder gefunden werden, kann ab einem bestimmten Zeitpunkt die Förderung nicht mehr gesteigert werden. Diese Schranke ist eine absolute. Die bisherigen Schranken der Ölproduktion waren dagegen nur auf eine bestimmte Region beschränkt oder nur vorübergehend wirksam.

Für Erdöl und auch für andere Rohstoffen (seltene Erden, Erdgas, mit etwas längerer Verzögerung auch für Kohle) wird das in Zukunft nicht mehr gelten. Der Mangel wird global spürbar. Die Knappheit von Erdöl ist von besonderer Bedeutung, da sie ein systemisches Risiko für die Wirtschaft darstellt, das nicht mehr auf einige wenige Punkte eingegrenzt oder durch andere Stoffe einfach ersetzt werden kann. Die vielseitige Verwendbarkeit von Erdöl als bisher billiger, leicht zu transportierender und effizienter Energieträger und als Ausgangsbasis für Produkte der chemischen Industrie macht es zu dem zentralen strategischen Rohstoff, dessen Fehlen sich spürbar bemerkbar machen wird. Parallel zur Verknappung von Erdöl wird es zu einer Konzentration der Erdölförderung auf immer weniger Förderstätten mit davon abhängiger Transport-Infrastruktur (Pipeline) kommen. Eine geopolitische Machtverschiebung ist zu erwarten.

Daran schließt sich sofort die Frage: Wann wird Peak Oil stattfinden? Die vorhandenen Berechnungen variieren nach dem Zeitpunkt der Erstellung und der Interessenlage der AutorInnen. Nach Meinung der Bundeswehr-Experten „besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass Peak Oil bereits um das Jahr 2010 zu verorten ist und sicherheitspolitische Auswirkungen je nach Entwicklung der hierbei global relevanten Faktoren mit einer Verzögerung von 15 bis 30 Jahren erwartet werden können.” Nach Untersuchungen der Münchner Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH hat der Gipfel der Erdölförderung bereits im Jahr 2008 stattgefunden. Abbildung 2 zeigt für die tägliche globale Produktion an Flüssigkeiten, die aus Rohöl oder Erdgas verschiedener Arten gewonnen werden, einen Spitzenwert im Jahr 2011. Die Abbildung stammt aus einer schwedischen Dissertation von Fredrik Robelius, der alle relevanten Ölfelder der Erde einbezogen und ein Prognose bis 2050 vorgenommen hat. Andere Institutionen kommen zu ähnlichen Ergebnissen.

Tägliche Ölförderung

Abbildung 2: Tägliche globale Förderung verschiedener Rohölarten 1925 – 2050 in Millionen Fass.
Quelle: Dissertation von Fredrik Robelius (2007): Giant Oil Fields – The Highway to Oil, S. 131 (www.peakoil.net/GiantOilFields.html)

Die Party ist vorbei

Für die Zeit bis 2030 sieht die Bundeswehr-Studie eine Phase steigenden Ölpreises verbunden mit gravierenden Einschränkungen für den motorisierten Individualverkehr. Die gewachsenen Siedlungsstrukturen in den entwickelten Ländern (Leben in der Vorstadt oder auf dem Land, Arbeiten in der Stadt, Pendeln) erschweren es, auf die Benutzung des Autos zu verzichten. Paradoxer Weise wurden gerade durch die Einstellung von Nebenbahnen in Österreich viele PendlerInnen auf den PKW verwiesen.

Geht die Teuerung bei Treibstoffen weiter, werden die meisten mit dem Auto verbundenen Wirtschaftszweige in eine Mobilitätskrise geraten. Auch wenn in Österreich selbst keine Autos erzeugt werden, wird unser Land wegen seiner Zulieferindustrien für die Autoproduktion in anderen Ländern nicht von Schwierigkeiten verschont bleiben. Besonders betroffen wären wir hierzulande auch von Einbrüchen im Tourismus und im Bauwesen, beides wichtige Bereiche der heimischen Wirtschaft. Die Folge wäre eine erhöhte Arbeitslosigkeit, verbunden mit einer Entwertung der vorhandenen Qualifikationen der ArbeiterInnen und Angestellten, die nicht mehr benötigt werden.

Der internationale Gütertransport basiert im Wesentlichen ebenfalls auf fossilen Treibstoffen. Während beim Auto eine Umstellung auf einen elektrischen Antrieb durchführbar wäre, ist eine Elektrifizierung des Güterverkehrs weder technisch noch in ausreichendem Umfang möglich. Damit werden sich einschneidende Folgen für den Handel und die Preise ergeben. Versorgungsengpässe bei existenziell wichtigen Gütern können auftreten, Nahrungsmittelkrisen sind nicht nur in den ärmeren Ländern möglich.

Eine Beschränkung der Verwendung landwirtschaftlicher Maschinen wird sich ebenso auf die Ernteerträge auswirken wie ein Engpass bei erdölbasierten Düngemitteln und andere Chemikalien. Alle über größere Entfernungen gehandelten Nahrungsmittel wären betroffen, nicht bloß einzelne Produkte oder einzelne Regionen. Die Preissteigerung wird nachhaltig und nicht umkehrbar sein.

Ein Umstieg auf Biotreibstoffe, die aus Ölsaaten gewonnen werden können, ist längerfristig fraglich: Die dafür erforderlichen Anbauflächen verringern wieder die Anbauflächen für Lebens- und Futtermittel, wodurch die Nahrungsmittelkrise verschärft wird. Großinvestoren kaufen bereits in ärmeren Ländern riesige Landflächen auf, um sie später profitabel mit Ölsaaten bepflanzen zu können.

Alles in allem betrachtet heißt das: „Die Party ist vorbei”, wie der Autor Richard Heinberg sein Buch benannte. Für uns wird die Zeit nach Peak Oil höhere Arbeitslosigkeit und sinkenden Wohlstand bedeuten. Staatliche Rationierungen und direkte Güterzuteilung, Produktionspläne, nationale Investitionsprogramme könnten die bisherigen Marktmechanismen ablösen. Ist die Politik nicht in der Lage, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen, werden Rufe nach dem „starken Mann” lauter werden. Autoritäre Führungsmethoden könnten Platz gewinnen. Rassistische und faschistische Tendenzen würden sich verstärken. Werden die supranationalen Institutionen der Europäischen Union die Transformation zu einer nicht-fossilen Produktionsweise in friedlicher Weise bewältigen? Wird unsere Bundesregierung rechtzeitig vorbeugende Maßnahmen einleiten?

Als Beispiel für mögliche Folgen seien Eindrücke aus der Benzinkrise im Jahr 2000 in Erinnerung gerufen (siehe www.peakoil.de). Damals blieben die Spritlieferungen nur für zweieinhalb Wochen aus, doch waren die Effekte gravierend: Lange Schlangen an den Tankstellen, tageweise durften nur Polizei, Feuerwehr und Krankenwägen tanken; Panikkäufe in den Läden, manchen gingen das Brot und die Milch aus; Postsammlung und Verteilung an Sonntagen wurden ausgesetzt, um Treibstoff zu sparen; Nutztieren drohte der Hungertod, weil ihr Futter nicht geliefert werden konnte, Schulen mussten geschlossen werden, weil die Schüler und Lehrer keine Transportmöglichkeit hatten; Krankenhäuser beschränkten ihre Arbeit auf Notfälle, Operationen wurden abgesagt und Patienten nach Hause geschickt; Firmen blieben geschlossen, weil die Mitarbeiter nicht zur Arbeit kommen konnten; Ambulanzen konnten nur in den dringendsten Fällen ausrücken.

Demokratische Alternativen

Angesichts dieser Problemlage, die sich vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Budgetkrise abspielt, sind vernünftige Alternativen und eine gerechte und nachhaltige Transformationsstrategie auf demokratischer Grundlage besonders gefragt. Leider hat es die Bundesregierung bei der Budgetgestaltung für die nächsten Jahre versäumt, diesen Themenkomplex (mit Ausnahme von Subventionen für Wärmedämmmaßnahmen an Wohnhäusern) überhaupt zu behandeln. Es wurde nur gekleckert. Mutige und entschiedene strategische Maßnahmen in Richtung erneuerbare Energien wurden nicht nur unterlassen, auch für das Bildungs- und Gesundheitswesen sind keine brauchbaren Perspektiven ausgearbeitet worden.

Damit sich in der kommenden Krise nach Peak Oil nicht das Recht des Stärkeren durchsetzt, wäre es angebracht, eine neue demokratische Institution auf nationalem Niveau mit regionalen Niederlassungen zu schaffen, die den notwendigen Wandel unter Berücksichtigung der Interessen aller Betroffenen organisiert.

Da aber die Politik heute Reformmaßnahmen nur schwer oder stark verwässert durchsetzen kann, wird es immer mehr auf lokale Initiativen ankommen. Beispiele dafür sind vorhanden, seien es die „Transition Towns”, Übergangsstädte, die den öffentlichen Raum für gemeinsame (oft landwirtschaftliche) Projekte nützen, oder Gemeinden, die ihre Investitionen in Richtung einer teilweisen oder vollständigen Energieautarkie gelenkt haben und dadurch nur in geringem Maße von der äußeren Energieversorgung abhängig sind. Durch den hohen Verschuldungsgrad der Gemeinden, oft durch Spekulation hervorgerufen, wird es schwierig sein, weitere Kredite für die Transformation aufzunehmen. Um dies doch zu ermöglichen, müsste eine gemeinwirtschaftliche Bank errichtet werden, die Gelder nicht nach dem erwarteten Profit vergibt, sondern zweckgebunden und nach energiepolitischen Notwendigkeiten.

Die bisherigen weltweiten Wertschöpfungs- und Transportnetze werden nach Peak Oil zu teuer werden, um fortdauern zu können. Es wird daher wichtig sein, die Fremdversorgung mit Industriewaren zurückzufahren. Bei Nahrungsmitteln müsste der sogenannte „Fernfraß” (Konsum exotischer Lebensmittel aus fernen Ländern) auf ein vernünftiges Maß reduziert werden. Selbstversorgung in weitgehend autonomen kleinen Einheiten ist angesagt. Es wäre durchaus denkbar, dass im Zuge dieser Umstellung neue Formen von Gemeineigentum entstehen. Wir wären dadurch in der Lage, eine Reihe von lebensnotwendigen Dingen und Diensten selbst zu erzeugen und nach sozialen Gesichtspunkten zu verteilen. Vielleicht wird es eine besondere Art der „Reprivatisierung” geben: Jedes Mitglied der Gruppe könnte bei Bedarf Zugang zu Produktionsmitteln (Werkzeuge, Computer, kleinere Maschinen) erhalten. Regionale Währungen können eine solche Subsitzenzökonomie unterstützen.

Eine ökologische Wende, die in geordneten Bahnen verlaufen soll, ist nicht mehr bloß eine romantische Forderung allzu grüner Spinner. Die Entwicklung der nächsten Jahre wird zeigen, dass die Aufrechterhaltung einer nachhaltigen Energiebasis für uns alle überlebenswichtig sein wird. Es ist nicht mehr die Frage, ob, sondern nur noch die Frage, wann uns das billige Öl ausgeht, und ab wann Versorgungsengpässe auftreten werden. Je früher wir uns – auch in unserem individuellen Lebensstil und mit einer alternativen Kultur – auf die kommende Entwicklung einstellen, desto leichter wird der Übergang bewältigt werden, auch wenn wir viele liebgewordene Gewohnheiten aufgeben müssen. Der wichtigste Maßstab für Nachhaltigkeit wird der individuelle Verbrauch an nicht-erneuerbaren Ressourcen sein. Was wir gewinnen, ist aber auch nicht schlecht: Werden doch unsere Kinder und Enkelkinder dann in einer Welt leben, die in einem besseren Zustand ist als die heutige.

Zuerst erschienen in: Volksstimme, Februar 2011
Dr. Peter Fleissner, o.Univ.Prof.i.R. Univ.Doz Dipl.Ing.