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Hans Kronberger

Energiewende oder der Untergang des Abendlandes

Die Botschaft ist ja dem Grundsatz nach schon angekommen: Fossile Energieträger, sowohl Öl als auch Kohle und Gas, werden knapp. Und zwar viel schneller als bisher angenommen. Die Prognosezeiträume haben sich in den letzten Jahren mehrfach halbiert. Rettendes Uran ist ebenfalls nicht in Sicht. Im Gegenteil, die nukleare Stromproduktion bezieht heute bereits 40 Prozent des Brennstoffes aus der Rüstungsindustrie, also aus abgewrackten Atomraketen.

Selbst jene Stelle, die uns über Jahrzehnte darauf verwiesen hat, dass das Problem der Verknappung fossiler Rohstoffe getrost den nächsten Generationen überlassen werden könne, die Internationale Energie Agentur in Paris (IEA), schreit Alarm. Es drohe nach der Finanzkrise eine viel schlimmere Krise, die Energiekrise, trommelt ihr Präsident, der Japaner NobuoTanaka. Er nennt auch den Zeitpunkt des zu erwartenden Desasters. Es ist bereits das Jahr 2013 (für schlichte Geister: „Nur noch tausend Mal schlafengehen.”). Allein bis zum Februar dieses Jahres sind weltweit 35 des 130 größten Ölförderprojekte eingefroren oder überhaupt eingestellt worden. Der Ölpreis wird seiner Meinung nach in diesem Jahr die 200-Dollar-Marke durchschlagen. Dass die Wirtschaftskrise aktuell bedarfsseitig eine leichte Entspannung am Sektor Energienachschub mit sich bringt, ist ein schwacher Trost, keimt darin doch die Botschaft, dass im Falle eines Anspringens des industriellen Motors die Verknappung nur noch beschleunigt wird.

Weltweit geht die Ölexploration dramatisch zurück, dies bestätigen auch die inzwischen sehr kleinlaut gewordenen Ölmultis. Dass das ausgefallene Öl durch Erdgas ersetzt werden könnte, ist eine Illusion. Nach Angaben eines der größten deutschen Gashändler, EON-Ruhrgas, muss Europa mit einer Unterdeckung von 27 Prozent gegenüber dem Bedarf bis zum Jahre 2020 rechnen. Dies selbst dann, wenn die drei großen Pipeline Projekte „North Stream”, „South Stream” und „Nabucco” realisiert werden. Die IEA hat für die Situation das verharmlosende Wort „Lieferklemme” strapaziert, dabei stellt sich die Frage, eher darüber nachzudenken, ob man mit dem Wort „Krise” auskommt, oder ob man es durch „Katastrophe” ersetzen muss.

Alle Fakten zur Energielage sind in der internationalen Literatur serienweise nachzulesen. Es ist erstaunlich, mit welchen Verdrängungsmechanismen Politik und Wirtschaft auf die Energieverknappung reagieren. Ob man seine Hoffnung auf versteckte Reserven tausende Meter unter dem Meeresgrund oder unter dem arktischen Eis vermutet oder ob man gigantische Solarkraftwerke in den nordafrikanischen Sand setzen will, die Hoffnung stirbt zuletzt. So gut wie ausgeklammert wird die Frage nach den realen Folgen der so genannten „Klemme”. Wer wagt es, überhaupt darüber nachzudenken, was denn passieren wird, wenn den ölhungrigen Industrienationen ihre Droge ausgeht? Wie lange dauert es, bis ein Industriestaat auf den Status eines Dritte-Welt-Landes heruntergefahren wird? Monate, Wochen, Tage? Wen trifft es zuerst? Amerika, Asien, Europa? Kann der relative Frieden auf der Welt aufrecht erhalten werden?

Derzeit basteln alle Mitgliedsstaaten der EU mehr oder weniger ernsthaft an einer Energiestrategie bis zum magischen Jahr 2020.

Die österreichische Bundesregierung hat die beiden Minister Reinhold Mitterlehner und Niki Berlakovich beauftragt, eine solche zu entwickeln. Lobend erwähnt sei, dass in das Vorhaben alle relevanten Gruppen, von den traditionellen Versorgern über die Energieoptimierer bis zu den Erneuerbaren, mit eingebunden sind. Gelingen kann das Projekt nur, wenn die volle Dimension der Herausforderung erkannt wird. Eine leichte Kurskorrektur reicht angesichts der oben erwähnten Tatsachen nicht mehr aus, um Europas wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Existenz abzusichern. Es bedarf einer echten „Energiewende”, es braucht einen gigantischen Befreiungsschlag gegenüber der fossilen und nuklearen Energieabhängigkeit. Wer wegschaut, hat schon verloren.

Und es ist beängstigend, wenn man beobachtet, wie schwer die Geburt eines simplen Ökostromgesetzes vor sich geht, dass selbst nach der Geburt nicht lebensfähig sein wird und raschest neu gezeugt werden muss. Der Ernst der Lage wird noch nicht annähernd erkannt.

Es stellt sich nicht die Frage, ob eine „Energiewende” weg von der Verbrennungsstrategie der Restreserven hin zu einem nachhaltigen erneuerbaren System möglich ist, sondern ausschließlich, wie schnell und sozial verträglich sie bewerkstelligt werden kann. An der Möglichkeit zu zweifeln, käme einem Zweifel an der Selbsterhaltungsfähigkeit des Menschen gleich. Es wäre eine Kapitulation des homo sapiens mit unabsehbaren Folgen. Während die Finanzkrise einen virtuellen Aspekt hat – Geld kann man drucken oder von den nächsten Generationen (freilich ohne deren Zustimmung) ausborgen – ist die Energiebereitstellung beinharte Physik. Die Börse kann sogar durch eine „gute Stimmung” in Schwung gebracht werden, die Energieversorgung nicht. Da helfen keine feierlichen Sonntagsreden.

Sowohl für die nationale als auch für die europäische Politik gilt immer noch der Spruch des großen deutschen Freiheitsdichters Heinrich Heine: „Worte, Worte, keine Taten, viel Gemüse und kein Braten!”

Es bedarf einer (un-)heiligen Allianz aller Akteure, um das gemeinsame Ziel, das nicht mehr und nicht weniger ist als die Aufrechterhaltung jener über Jahrhunderte errungenen Parameter von sozialem Wohlstand, auf eine dauerhafte Basis zu stellen. Eine gigantische Herausforderung, für Europa eine blanke Existenzfrage, die sich aber bei genauerer Betrachtung als ein „All-winner-system” herausstellen wird.

Hans Kronberger ist Energieexperte und ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments. Der Kommentar ist zuerst in erschienen in der „Raiffeisenzeitung” Nr. 28/29 am 9. Juli 2009