Zukunft Ennstal – ARGE Intermodale Verkehrsplanung

Verein NETT • Nein Ennstal Transit Trasse
Anerkannte Umweltorganisation gem. § 19 Abs. 7 UVP-G 2000

Wir planen ganzheitlich

Besuche uns auf Facebook

Besuchen Sie uns auf Facebook:

Falls Sie diesen Button anklicken, werden aber auch persönliche Daten an Facebook übertragen. Sind Sie damit einverstanden?

Zur Navigation springen.

Peak Oil

Wir haben ein Problem

Von Hubertus Volmer

„Ein Ende der verfügbaren Ölvorräte ist in absehbarer Zeit nicht in Sicht”, schreibt der Mineralölwirtschaftsverband in seiner „Prognose 2025”. Das klingt beruhigend. Nicht auszudenken, wenn wir eines Tages ohne Öl dastünden. Oder ohne billiges Öl.

Ungefähr die Hälfte des weltweit förderbaren Öls haben wir bereits verfeuert. Das sagt die Peak-Oil-Theorie. Rund 160 Jahre hat die Menschheit dafür gebraucht. Stimmt die Theorie, dann reicht das Öl gewiss keine weiteren 160 Jahre. Denn die Nachfrage ist seit dem Beginn des Ölzeitalters gewaltig gestiegen.

Es gibt ein weiteres Problem: Wenn der Peak – der Gipfel – erreicht ist, fällt die Förderkurve ab. Das gilt für ein Ölfeld genauso wie für die Erdölförderung einer Region, eines Landes oder der ganzen Welt. Die Produktion sinkt also bei gleichzeitig steigender Nachfrage.

Die Peak-Oil-Theorie stellt alles infrage. Öl ist die Grundlage unserer Art zu wirtschaften, uns zu bewegen, zu leben. Es ist der mit Abstand wichtigste Energieträger. Der Verkehr weltweit basiert zu rund 96 Prozent auf Öl. Eine Welt ohne Erdöl ist für die meisten Menschen nicht vorstellbar. Alle blicken wie gebannt auf die Ölpreise. Kaum jemand glaubt, dass das Öl immer knapper wird.

Vielleicht liegt es an der Theorie. Peak Oil gehört zu jenen Themen, bei denen der Laie auf Experten angewiesen ist. Experten gibt es viele. Vergleichen wir ihre Standpunkte. Zunächst Rainer Winzenried, Pressesprecher von Shell International. Er sagt: „Was Öl und Gas betrifft, so ist der limitierende Faktor weniger die Verfügbarkeit der Rohstoffe. Den Unternehmen sind Grenzen gesetzt beispielsweise durch die begrenzte Verfügbarkeit an qualifiziertem Personal, Bohranlagen und Dienstleistungen sowie durch Kapazitätsengpässe im Anlagenbau.”

„Wenn der Druck steigt”

Winzenried wirft der Peak-Oil-Theorie vor, sie blende „unkonventionelle Ressourcen” aus. Gemeint sind Ölsande, Ölschiefer und Tiefseevorkommen, die drei Hauptargumente der Mineralölwirtschaft gegen Peak Oil. „Wenn der Druck steigt, werden Technologien entwickelt, diese Vorkommen zu erschließen”, sagt Winzenried. So sei es auch beim Nordseeöl gewesen.

Wolfgang Blendinger ist sicher, dass Shell es eigentlich besser weiß. Früher hat er selbst für Shell gearbeitet. Heute hat er Deutschlands einzigen Lehrstuhl für Erdölgeologie inne und ist Vorsitzender der deutschen ASPO-Sektion. Die ASPO, die Association for the Study of Peak Oil and Gas, hat Peak Oil für 2010 errechnet. Die unkonventionellen Ölsorten wurden dabei ausdrücklich nicht berücksichtigt, betont Blendinger. Denn das Versprechen neuer Technologien sei nur Augenwischerei. „Diese angeblichen technischen Fortschritte sind alle längst bekannt.” Seine Botschaft: „Es gibt keine Option auf die Zukunft.”

„Eine desaströse Bilanz”

Aber die Ölsande, das Tiefseeöl? „Die Energieeffizienz von Teersanden liegt etwa bei 50 Prozent: Man investiert einen Liter Öl, um zwei Liter rauszukriegen”, eine „desaströse Bilanz”. Kaum besser sehe es bei den Tiefseebohrungen aus: „Diese Felder liegen in mehreren tausend Metern Wassertiefe und sind im Vergleich zu den großen konventionellen Feldern meist relativ klein.” Wenn dort überhaupt je die Förderung aufgenommen werde, „dann vergehen bis dahin mindestens fünf bis zehn Jahre. In der Zwischenzeit sind so viele konventionelle Vorkommen eingebrochen, dass uns das überhaupt nichts nützt.”

Auch Hans-Josef Fell glaubt nicht an die Versprechen der Erdölindustrie. Fell sitzt für die Grünen im Bundestag, er ist der energiepolitische Sprecher seiner Fraktion, Peak Oil ist sein Thema. Er kennt die Einwände. „Beispielsweise das Argument, wenn der Ölpreis steigt, werde intensiver nach Erdöl gesucht und irgendwo auch genügend neues Erdöl gefunden. Nur: Der Ölpreis ist gestiegen, und dennoch hat man in den letzten Jahren immer weniger Erdöl gefunden. Seit über 30 Jahren gehen die Funde zurück – wir leben heute von den großen Funden, die in den dreißiger und vierziger Jahren gemacht wurden.”

Peak Oil als Verschwörung?

Für manchen liegt es nahe, Peak Oil für eine Verschwörungstheorie von Öko-Ideologen zu halten. Wer das möchte, könnte auf Fell verweisen. „Die einzigen wirklichen Lösungen sind intensive Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeinsparungen. Anders wird man den Umbau nicht mehr in einer angemessenen Zeit hinbekommen.” Den Klimawandel denkt Fell bei Peak Oil immer mit, Energiesicherheit und Klimaschutz sind für ihn zwei Seiten einer Medaille. „Mit erneuerbaren Energien gibt es keine Verknappung. Wenn wir die Techniken schnell entwickeln und ökonomisch ausbauen, bekommen wir den Klimaschutz gratis dazu.” Es wäre jedoch zu einfach, beim Klimaschutz auf Peak Oil zu hoffen, sagt er. „Denn noch können wir bei der Kohle die Förderung etwas steigern, schätzungsweise noch bis 2015. Für das Klima wäre das verheerend.”

Alles Ideologie? Wir fragen Hilmar Rempel, den stellvertretenden Leiter des Referats Energierohstoffe bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Die BGR ist eine nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, mithin höchst unverdächtig, ein Hort von Ideologen zu sein. Rempels dritter Satz im Interview: „Peak Oil kommt.” Die Bundesanstalt erwartet das Fördermaximum für 2020.

Gewinne durch Verknappung

Die Peak-Oil-Theorie ist bereits mehrere Jahrzehnte alt. Ihren ersten Test bestand sie 1970, als die USA als erstes Öl-Land weltweit ihren Peak erreichten. Marion King Hubbert, ein Geologe aus der Forschungsabteilung der Shell, hatte dies 1956 vorausberechnet. Die Wege von Hubbert und Shell trennten sich später – bis heute hat das Unternehmen sich mit Peak Oil nicht anfreunden können.

Kein Wunder, die Geschäfte mit dem Öl laufen gut. Der Shell-Sprecher sagt zwar, „am Ende des Tages bleibt bei den Energiefirmen gar nicht so viel hängen”. Doch Mitleid wird man nicht haben müssen. 2007 stieg der Nettogewinn von Shell um 23 Prozent auf 31,3 Milliarden Dollar. „In der Verknappungsphase macht man die großen Gewinne”, kommentiert Hans-Josef Fell lakonisch. „Später, wenn das Geschäft mit dem Öl nicht mehr möglich ist, kann man mit diesen Gewinnen ja in andere Unternehmenstätigkeiten einsteigen.”

Der Gipfel der Ignoranz

Was gut sein mag für Shell und Co., wird für den Rest der Welt zum Problem. Energiesicherheit ist für die Politik weltweit zwar ein großes Thema. Fast immer ist jedoch die Sicherung des Zugangs zu den Ressourcen gemeint, nicht die Vorbereitung auf die Verknappung. Bei Wolfgang Blendinger klingt ein ordentliches Maß an Fassungslosigkeit durch, wenn er sagt: „Je weniger Öl ein Land hat, umso lauter beteuert seine Regierung, dass es keine Schwierigkeiten gebe.” Das gelte auch für die Bundesregierung: „Das sind ganz hartgesottene Brüder.”

Hans-Josef Fell bestätigt diese Einschätzung. „Ich habe mit vielen Regierungen über das Problem gesprochen, auch mit der deutschen. Es gibt dort überhaupt kein offenes Ohr.” Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe muss sich solche Äußerungen möglicherweise verkneifen. „Ich komme gerade aus Berlin”, erzählt Hilmar Rempel, „wir haben im Wirtschaftsministerium unsere jüngste Studie zum Thema vorgestellt. Zumindest ist kein großer Widerspruch gegen unsere Einschätzung erhoben worden.” Euphorisch klingt das nicht.

Was sind die Folgen? Hans-Josef Fell schätzt, man bräuchte „vielleicht zehn Jahre”, um sich auf Peak Oil vorzubereiten. So optimistisch war Robert Hirsch nicht. Für das Energieministerium der USA schrieb Hirsch 2005 einen Bericht über die Folgen von Peak Oil. Darin entwarf er drei Szenarien: Die Verringerung der Abhängigkeit vom Öl beginnt zum Zeitpunkt des Peak, zehn Jahre vorher oder zwanzig Jahre vorher. Im ersten Fall hätte die Welt mehr als zwei Jahrzehnte „mit einem erheblichen Mangel an flüssigen Brennstoffen” zu kämpfen. Ein halbwegs sanfter Übergang wäre nur im dritten Fall möglich.

Mit anderen Worten: Wir haben ein Problem.

Mit Vollgas in den Peak

Fell befürchtet „drastischen Wohlstandsverlust”. Ein wenig hoffnungsvoll stimmt ihn immerhin, dass die Finanzwelt das Investment in erneuerbare Energien entdeckt hat. „Überall merkt man, dass es mit Kohle, Erdgas und Erdöl zur Neige geht und dass die Preise rasant steigen. Dadurch gerät die Ökonomie der Windkraft, der Solartechnik, der Biogasanlagen, der Wasserkraftwerke in den Fokus.”

Solchen Hoffnungen gibt Wolfgang Blendinger sich nicht hin. „Die Leute fahren 200 Meter bis zum Bäcker mit dem Auto, auf den Autobahnen wird gerast wie eh und je. Es gibt keinerlei Bewusstsein für die Schwierigkeiten, in denen wir stecken.” Gerade beim Verkehr laufe jede Alternative zum Erdöl auf eine Einschränkung hinaus. Dazu sei die Gesellschaft nicht bereit. „Das Tempolimit beispielsweise ist völlig tabu. Bevor sich etwas ändert, müssten erst einmal Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einsehen, dass hier etwas schief läuft, das mit den üblichen Instrumentarien ‚des Marktes’ nicht verhindert werden kann.”

Blendinger rechnet damit, dass Benzin und Heizöl früher oder später rationiert werden – schon um Ausschreitungen an den Tankstellen zu verhindern. Nur wenn es gelinge, das „Wachstumsdogma” zu überwinden, werde die Zukunft „gar nicht so schlecht” aussehen.

Genau diesem Dogma ewigen Wachstums folgt die offizielle Position von Shell. „Es gibt noch jede Menge Kohlenwasserstoffe”, sagt Rainer Winzenried, „so dass die Öl- und Gasproduktion insgesamt, also aus konventionellen und unkonventionellen Vorkommen, noch wachsen kann.” Es gibt ein Zitat, das dem englischen Literaturnobelpreisträger Harold Pinter zugeschrieben wird und das hier ganz gut passt. „Die Zukunft ist die Ausrede all jener, die in der Gegenwart nichts tun wollen.”

Quelle: Hubertus Volmer, n-tv, 2008