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Nach uns die Ölpest!

Die Katastrophe der „Deepwater Horizon” ist kein Unfall – sondern der High-Risk-Strategie der Süchtigen nach der Droge Öl. Die Welt muss auf Entzug. Von Robert Misik.

Das klebrige Zeug sprudelt aus dem Bohrloch eineinhalb Kilometer unter der Erdoberfläche und niemand weiß, wie man es denn wieder verschließen kann. Gerade endete auch die jüngste „Top-Kill”-Zustopfaktion von BP im Desaster – wie die vielen Versuche vorher. Es ist halt ein Unglück, dass die Bohrinsel „Deepwater Horizon” in Brand geraten und gesunken ist. Unglück, das reimt sich für viele auf: Was für ein Pech. Höchstens wird noch gefragt: Wer hat da gepfuscht?

Aber diese Katastrophe hat systemische Ursachen. Und im Grunde gibt es nur eine Lehre aus dem „Unglück”, das insofern keines ist: dass wir rausmüssen aus dieser Steinzeitechnologie – dem Öl, der Kohle, dieser Energiegewinnung aus endlichen Ressourcen, deren Verbrennung das Klima ruiniert und deren Förderung die Welt verpestet.

Da die bisher erschlossenen Erdölfelder demnächst leergepumpt sind, versucht man zunehmend in schwerer zu erschließenden Regionen zu bohren. Man setzt dafür riskante Technologien ein, die man ganz offenkundig nicht beherrscht – wenn einmal etwas schief läuft.

Und all das, weil man uns sagt: Wir brauchen Öl, mehr Öl, noch mehr Öl. Weil unser Lebensstandard von den fossilen Energien abhängt, und weil heute Milliarden Menschen auch einen vergleichbaren Lebensstandard anstreben und weil dieses berechtigte Streben nur mit noch mehr Verfeuerung von Öl und Kohle befriedigt werden kann.

Aber was, wenn das gar nicht notwendig ist? Es wäre wohl vernünftiger, man würde die Milliarden und Abermilliarden, die in solche nutzlosen Bohrungen (und jetzt in die Aufräumarbeiten) investiert werden, in erneuerbare Energien stecken, in die Umrüstung der Autos, in den öffentlichen Verkehr.

„Die Steinzeit ging auch nicht zu Ende, weil uns die Steine ausgingen”, sagte schon vor einigen Jahrzehnten ein weitblickender saudischer Ölminister. Sondern weil die Menschen etwas Besseres erfunden hatten. Und dazu ist man heute auch schon in der Lage. Es ist ja immer noch üblich, dass Menschen, die auf ihr praktisches, realistisches Denken viel geben, die Augen verdrehen, wenn das Wort „erneuerbare Energien” fällt. So nach der Art: Jetzt kommen die weltfremden Schwärmer wieder mit ihren Windrädern. Aber die Realisten haben da etwas nicht mitbekommen.

In Deutschland wird heute schon alle Tage ein neuer Windpark in der Nordsee eröffnet – mal kann er den Strombedarf von 50.000-Einwohner-Städten decken, dann von 200.000 Einwohnern. Jedes zweite Bauernhaus hat schon Solarzellen am Dach. Energieerzeuger experimentieren mit riesigen Solarfeldern in der Wüste. Länder mit großen Flüssen decken einen hohen Anteil ihres Stroms durch Wasserkraft. Laut einer Studie des deutschen Umweltministeriums könnte man ohne große Probleme in zehn Jahren 80 Prozent des deutschen Stromverbrauchs durch Ökostrom decken. Dazu bräuchte es Speicherkraftwerke und intelligente Stromnetze.

Die Hohepriester der freien Marktwirtschaft – oder sind es die Lobbyisten der großen Ölfirmen, man kann das oft nur verdammt schwer auseinanderhalten –, halten hier natürlich dagegen. Zunächst behaupten sie, dass die Probleme gar nicht existieren: Klimawandel? Gibt's doch gar nicht! Und wenn es die Probleme gäbe, fügen sie in einem zweiten Schritt hinzu, dann würde der Markt es schon richten. Zukunftszugewandte Investoren riechen doch in jedem Problem eine Geschäftsmöglichkeit.

Aber das ist natürlich Quatsch. „Märkte produzieren von sich aus zu wenig von manchem, was gesellschaftlich nützlich ist, etwa Forschung, und zu viel von anderem, was schädlich ist, etwa Umweltverschmutzung”, schreibt Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz. Zumal es den Markt, wie ihn sich die Freunde der freien Marktwirtschaft ausmalen, mit seinem demokratischen Reziprozität der Marktteilnehmer gar nicht gibt. Die großen Ölfirmen sind mächtig im Ölgeschäft, sie wollen daher, dass das Ölgeschäft so lange wie möglich seine Superrenditen abwirft. Sie investieren nicht, damit sie vielleicht in 30 Jahren die Kings im Windradgeschäft sind, sondern sie tun alles dafür, dass sie in den 30 Jahren bis dahin noch fett in Öl verdienen.

Für große Kehrtwenden und massive Investitionsprogramme haben noch nie „die Märkte” gesorgt – vom Aufbau des Eisenbahnnetzes über die Mondlandung bis zur Entwicklung des Internets. Und so braucht es auch diesmal einen Plan und staatliche Investitionsprogramme. Was die Stromversorgung betrifft, ist das kein großes Kunststück mehr. Das wirkliche Problem ist die Energie für unsere Mobilität. Aber auch da könnte viel getan werden. Langfristig müsste eben der Bau ganz anderer Autos gefördert werden. Und die intelligente Produktion von Biodiesel. Gerne wird angemerkt, schon ein bisschen Umrüstung auf Biodiesel hat zu einer Nahrungsmittelkrise geführt, weil wir den Mais in unsere Tanks gefüllt haben, und es den Ärmsten deshalb an Essen fehlte. Aber man kann Biodiesel auch aus städtischem Abfall oder Rasenschnitt herstellen, also aus Zeug, das ohnehin anfällt und keine Anbauflächen verbraucht. Der Ex-Stabschef von Bill Clinton und Übergangsstabschef von Barack Obama, John Podesta, schätzt, dass damit allein 30 Prozent des amerikanischen Ölverbrauchs ersetzt werden könnten. Die neueste Idee, die die Forscher elektrisiert, ist die Möglichkeit, Bioantrieb aus Algen herzustellen.

All diese Lösungsvarianten zusammen würden ein Bündel ergeben, sodass wir die Erdöl-Steinzeit hinter uns lassen. Aber all das kostet natürlich Geld. Damit die fortgeschrittenen Volkswirtschaften aus der Wirtschaftskrise rauskommen, müssen die Staaten in den nächsten Jahren ohnehin noch viel Geld in die Wirtschaft pumpen. Da ist es dann doch immer noch sinnvoller, das Geld für nützliche Dinge auszugeben, anstatt etwa noch mehr Beton in die Landschaft zu gießen.

Die Katastrophe im Atlantik ist kein Unfall. Sie ist die perverse, aber logische Folge davon, dass wir uns immer noch an eine überholte Technologie klammern und glauben, alle Probleme würden sich schon in Luft auflösen, indem Unternehmen am Markt um die besten Lösungen konkurrieren.

Zuerst erschienen in: taz, 2. Juni 2010 und auf www.misik.at